Dschungel-Tour am Amazonas

Wanderung durch den Amazonas.

Dschungel-Tour am Amazonas

-Zu Fuß unterwegs im kolumbianischen Primärwald-

Wehmütig blickten wir Michaels hölzernem Kanu hinterher, dass gemächlich in Richtung Leticia davon tuckerte. Mit einer halben Stunde Verspätung war gerade unser neuer Skipper aufgetaucht, der uns mit einem kleinen Motorboot zu unserer neuen Unterkunft, dem Nature Reserve Tupana Arü Ü, im kolumbianischen High Forest bringen sollte. Teil zwei unserer Dschungel-Tour am Amazonas stand bevor! Das Reservat liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Leticia und Puerto Nariño, etwa 70 km von Leticia entfernt. Bei dem höher gelegenen und damit nicht überfluteten High Forest handelt es sich, zumindest teilweise, um ein komplett anderes Ökosystem.

Der Primärwald mit seinen bis zu 80 m hohen und bis zu 500 Jahre alten Urwaldriesen (Emergenten) ist auch dort in den letzten Jahrzehnten stark dezimiert worden. Sie bilden normalerweise das fünfte Stockwerk des intakten, primären Regenwaldes. Einmal abgeholzt, dauert es mehrere Jahrzehnte bis in einem Sekundärwald, wenn überhaupt, wieder Emergenten auftreten können. Dies hat jedoch fatale Auswirkungen auf die Biodiversität und Biomasse des Waldes, denn der Kronenbereich der Emergenten beherbergt zusätzliche ökologische Nischen.

Jeden Tag verschwindet jede Stunde eine Tier- oder Pflanzenart für immer von unserem Planeten. Mit der Ausbeutung dieser empfindlichen Ökosysteme zerstören wir nicht nur das klimatische Gleichgewicht unseres eigenen Lebensraums sondern auch die Heimat indigener Völker, die in den Wäldern um Leticia in besonderer Dichte vorkommen und teilweise noch immer unberührt von der Zivilisation leben. Je weiter wir in ihr Gebiet vordringen, umso mehr Wissen zerstören wir. Wissen darüber, wie man Natur nutzt, ohne sie zu zerstören aber auch über Heilpflanzen- und Mittel, die unserer westlichen Medizin noch gänzlich unbekannt sind.

Vielen Arten, wie dieser Pfeilgiftfrosch kommen nur im Amazonas Regenwald vor.
Der Pfeilgiftfrosch war eines der wenigen Tiere, die wir auf unseren Streifzügen durch den Dschungel entdeckten.

Wir hatten uns gerade hingesetzt, da röhrte der Motor des Bootes auch schon los und mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit rasten wir über den Amazonas. „Na, jetzt hat er’s aber auf einmal eilig!“, brüllte ich Yannik über den Motorenlärm und das Rauschen des Windes zu. Zu allem Überfluss fing es auch noch an zu regnen. Während wir über den braunen Fluss rasten und immer wieder Baumstämmen ausweichen mussten, die uns entgegenkamen, sahen wir an den schlammigen Ufern des Flusses Schulen, Plantagen und kleine Ansammlungen von Stelzenhäusern an uns vorbeisausen.

Zu unserer Überraschung hielten wir nicht an so einer Behausung sondern wieder mal mitten im Nirgendwo. Nur Grün, ein klappriger Holzsteg und einige marode Kanus erwarteten uns, als wir mit schmerzenden Rücken aus dem Boot kletterten. Kurz darauf kamen drei nicht besonders große aber dafür mit Macheten bewaffnete Männer aus dem Busch. Alle trugen Gummistiefel und rochen etwas streng. Sie schienen etwas zu diskutieren und gestikulierten immer wieder in Richtung der Kanus. Sie sprachen eindeutig eine indigene Sprache.

„Ok…sind wir hier richtig?“, fragend blickten wir uns in Richtung des Skippers um, der uns nur aufmunternd zunickte, den Motor anschmiss und wieder davon raste. Irgendwann löste sich einer Männer aus der Gruppe und kam auf uns zu. Er trug ein schmutziges hellblaues Shirt, eine ebenso schmutzige Jeans und einen zerfledderten Strohhut. Unter dem Rand des Hutes kräuselte sich dichtes schwarzes Haar. Sein Gesicht war wettergegerbt und seine gerade, vogelartige Nase und die hohen Wangenknochen ließen ihn ein bisschen unheimlich wirken. Jedoch nicht so unheimlich, wie die ziemlich rostige, aber dafür riesige Machete, die an seinem Gürtel baumelte.

Er stellte sich in noch schlechterem Spanisch als wir es sprachen vor und deutete auf ein gelbes, stark nach Farbe riechendem Kanu. Wir verstanden, dass er unser Guide sein würde, einer indigenen Gruppe angehörte und uns jetzt zum Nature Reserve bringen würde. Wie er hieß, würden wir nie herausfinden. Ich ließ mich in das Kanu plumpsen und hatte prompt einen gelben Hintern.

Unser Guide konnte sich völlig lautlos und ohne Mühe durch den Dschungel bewegen.
Unser Guide führte uns völlig lautlos und scheinbar mühelos durch den Dschungel.

Über Stock und Stein nach Tupana Arü Ü

Schweigend fuhren wir einen schmalen Wasserweg entlang, der uns weg vom Amazonas, ins Dickicht brachte. Anders als am Rio Javari sah die Natur hier nicht unberührt aus. Wir fuhren an schwimmenden Müllbergen vorbei, es roch teilweise stark verbrannt und immer wieder tauchten zerlumpte Kinder aus dem Dickicht auf und blickten uns neugierig hinterher.

Ab und zu sahen Yannik und ich uns mit hochgezogenen Augenbrauen an, ansonsten fuhren wir schweigend bis wir völlig unvermittelt anlegten. Wir würden durch den Dschungel zur Unterkunft wandern müssen, eine Straße oder einen Wasserweg dorthin gab es nicht. „Das hätten die uns ja auch mal sagen können.“, pöbelte Yannik. „Dann hätten wir doch lange Hosen angezogen und ich nicht meine Turnschuhe!“ Tatsächlich versanken wir bei den ersten Schritten unter dem dichten Blätterdach bereits knöcheltief im Schlamm und der ein oder andere Moskito labte sich bereits an unseren nackten Beinen. Im Nachhinein wundere ich mich immer wieder, wie unbekümmert wir mit den Moskitos umgegangen sind, schließlich befanden wir uns im Malariagebiet.

Die nächsten paar Stunden stolperten wir ziemlich unbeholfen hinter unserem stummen Begleiter her.  Die Vegetation um uns herum war hier um einiges dichter als am Rio Javari und unter dem dichten Blätterdach plagte mich ständig das Gefühl, dass es gleich dunkel würde. Wir liefen und liefen – zuerst über überwucherte Spuren von Forstmaschinen, vereinzelte Pfade oder aber kreuz und quer durch den Dschungel – teilweise sogar durch Bäche!

Kreuz und quer führte uns der Guide durch den Dschungel bis wir endlich unsere Unterkunft erreichten.

Wie sich der Guide orientiere war uns ein Rätsel. Immer wieder blieb er abrupt stehen, sodass ich fast in ihn hinein gelaufen wäre, und wandte den Kopf mal in die eine, dann in die andere Richtung, bevor er entschlossenen Schrittes die Richtung wechselte. Manchmal deutete er auch auf etwas, was wir nicht sahen und noch ehe wir nachfragen konnte, stiefelte er schon weiter, sodass wir zusehen mussten, ihn in dem Dickicht nicht aus den Augen zu verlieren. Die Art, wie er sich durch den Dschungel bewegte, faszinierte mich. Er schien seine Umgebung noch intensiver und differenzierter wahrzunehmen als Michael. Während wir auf laut knackende Äste traten, über Wurzeln stolperten und an Sträuchern hängen blieben, schritt er in seinen Gummistiefeln völlig lautlos voran.

Als er wieder einmal unvermittelt stehen blieb, deutet er vor uns auf den lehmigen Urwaldboden. Wir erkannten ein kleineres, kreisrundes Loch. Der Guide hob einen kleinen Stock auf, hockte sich vor das Loch und begann darin herumzustochern. „Tarantula“, sagte er freundlich lächelnd und stocherte noch eifriger. Wir begriffen, dass er uns diese Spinne zeigen wollte. Doch glücklicherweise hockte die entweder tief in ihrem Loch und machte uns eine lange Nase oder sie war gerade  mal ausgegangen. Sichtlich enttäuscht richtete sich unser Guide auf, zuckte entschuldigend mit den Achseln und marschierte weiter.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, es dämmerte bereits, erreichten wir schließlich Tupana Arü Ü und waren ziemlich überrascht! Verdutzt wischten wir uns den Schweiß aus den Augen, als sich vor uns eine hübsche kleine Lichtung auftat. Im Zentrum des ganzen stand ein größeres, mit Stroh gedecktes Holzhaus an einem Teich in dem kleine Kaimane und Arapaimas lebten. Etwas abseits waren drei Holzhütten auszumachen mit eigenem Badezimmer, die aussahen als wären sie gerade erst fertig gestellt worden. „Net schlecht!“, meinte Yannik anerkennend. „Da kann ich ja gleich mal unter die Dusche.“

Unsere Unterkunft im Nature Reserve Tupana Arü Ü.
Unsere Unterkunft im Nature Reserve Tupana Arü Ü.

Kurz darauf saßen wir frisch gebraust im Haupthaus des Reservates und verputzen unsere tägliche Portion Fisch, Kochbananen und Reis. Ich war schläfrig und spürte wie sich die letzten Tage im Dschungel langsam bemerkbar machten. Vor allem das feuchtheiße Klima und die brennenden Moskitostiche schlugen mir so langsam auf das Gemüt  und ich sehnte mich nach Weite, danach den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Entsprechend unmotiviert brachen wir kurz darauf zur Nachtwanderung auf.

Der Dschungel bei Nacht ist, nun ja, einigermaßen furchteinflößend. Durch das dichte Blätterdach ist es nicht nur stockfinster sondern überall summt, brummt, quietscht, raschelt und knackt es. -Doch alles was wir zu Gesicht bekamen, war eine gut 10 cm lange, braune, eklige Heuschrecke. Selbst jetzt, während ich das schreibe, schüttelt es mich noch, wenn ich daran denke (das Foto füge ich aus diesem Grund nicht bei).

Mit dem Antlitz der Heuschrecke noch vor Augen, schlief ich in dieser Nacht nicht besonders gut. Umso irritierter war ich jedoch über die halbgaren Pommes, die man uns zum Frühstück vorsetzte. Naja, besser als nichts und wir waren ja schließlich mitten im Nirgendwo. Unter anderen Umständen würde ich aber von der Kombination Kaffee und Pommes abraten, das gibt tierisches Sodbrennen.

Die Highlights unserer Dschungel-Tour am Amazonas: Heilige Urwaldriesen und Acai-Ernte!

Unser einizges Foto mit einem der Emergenten und seinen gigantischen Brettwurzeln.

Und dann endlich, nach weiteren Stunden mühsamer Dschungelwanderng  erhoben sich vor uns drei Urwaldriesen. -Majestätisch, unverwüstlich und ehrfurchtgebietend. Fast andächtig legten wir unsere Hände auf das raue, bemooste Holz der Brettwurzeln, die sich sternförmig aus dem Urwaldboden erhoben. Wie alt er wohl war, was würde er uns alles erzählen, wenn er reden könnte und vor allem, welch ein Ausblick würde man von seinen Wipfeln aus haben?! Ich sehnte mich danach, die düstere untere Etage des Regenwaldes zu verlassen und über die Baumwipfel hinweg zu spähen.

Wir legten die Köpfe in den Nacken und blickten sehnsüchtig hinauf zur Baumkrone. Es war ein besonderer Ort, wir konnten es beide spüren. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch unseren Guide, der uns anbot schnell EIN Foto von uns zu machen und dann andeutete weiter zu gehen. Er erläuterte knapp, dass dies ein heiliger Ort für seine Leute sei und er wolle ihn nicht verärgern. Respektvoll ließen wir daraufhin von dem Baum ab und eilten ihm wie immer hinter her.

Nach weiteren Stunden des Wanderns, stoppten wir wieder einmal völlig unvermittelt. Doch anstatt nach Oben oder ins Dickicht deutete der Guide diesmal auf den Boden. Wir starrten auf den feuchten Urwaldboden doch außer Laub und einigen vermoderten Stämmen konnten wir nichts erkennen. „Ich glaube er will, dass wir uns hinsetzen.“, murmelte ich Yannik zu.

Wir setzten uns, der Guide nickte. Dann begann er ohne weiteres mit seiner Machete auf den Stamm eines nahestehenden Baumes einzuhacken und zog kurz darauf einige dicke, orangerote Fasern ab. Nachdem er sie etwas mit der Machete bearbeite hatte, knotete er sie geschickt um seinen Kopf und befestigte daran die Machete. „Was hat er da vor?“, brummt Yannik. Als hätte er ihn verstanden antwortete der Guide: „Acai.“, und zeigte auf den Stamm einer Palme, deren Wipfel wir von unten kaum erkennen konnten. Daraufhin zog er Gummistiefel und grüne Kniestrümpfe aus, Band sich eine Art Plastiksack um die Füße und begann den glatten Stamm der Palme im Eiltempo nach oben zu klettern. Uns viel die Kinnlade herunter.

Unser Guide macht sich bereit um die 25 m hohe Kohlpalme hzu erklimmen und Acai-Beeren zu ernten.
Unser Guide macht sich bereit um die 25 m hohe Kohlpalme zu erklimmen und Acai-Beeren zu ernten.

Die Acai-Beere, die hierzulande als absolutes Superfood vermarktet wird, ist die Frucht der bis zu 25 m hohen Kohlpalme, die in diesen Gebieten heimisch ist und deren Blätter und Stämme auch zum Bau von Behausungen verwendet werden.

Kurz darauf flogen uns die Machete und einige Palmwedel entgegen, bevor der Guide mit zwei Acai-Stauden an dem Baumrinden-Band baumelnd den Stamm herunter gerutscht kam. Er lachte, als er unsere erstaunten Gesichter sah. Er deutete erst auf einen weiteren Sack in seiner Umhängetasche und anschließend auf die Beeren und wir verstanden, dass es unsere Aufgabe sein würde die Dinger abzupflücken und einzutüten, während er schon an der nächsten Palme empor kletterte. So verbrachten wir unseren letzten Nachmittag im Amazonas Regenwald. -Auf dem feuchten Boden sitzend, die Hände violett von den Beeren und die Moskitos im Nacken. Einen besseren Abschluss hätten wir uns nicht wünschen können (ja, ich meine das ernst!).

 

Unsere Aufgabe war es, die Acai-Beeren abzupflücken und in große, weiße Säcke zu packen.
Unsere Aufgabe war es, die Beeren abzupflücken und in großen weißen Säcken zu verstauen.

Ein würdiger Abschluss

Zurück im Reservat war der Guide aber noch nicht fertig mit uns. Unter den amüsierten Blicken seiner Familie und Kollegen, zeigte er uns zuerst wie man aus den mitgebrachten Palmenwedeln Matten und Hüttendächer herstellt und anschließend bemalte er unsere Gesichter mit einer roten Farbe, die er aus den Samen einiger Beeren gewann. Dann präsentierte er uns  noch einen Tanz seines Stammes und einige Blasrohre, die von seinem Großvater waren. Ich würde wirklich zu gerne mehr über diesen Stamm berichten oder zumindest den Namen hier wieder geben können, aber wir haben ihn leider nie richtig verstanden. Aber es war unglaublich faszinierend und bereichernd. So wie die ganze Reise in den Amazonas.

Zum Abschluss zeigte uns der Guide noch einige Rituale seines Stammes.

Ich glaube es würde vielen Menschen einmal gut tun diesen Ort mit eigenen Augen zu sehen und zu erleben. -Die schönen Augenblicke, aber auch die weniger schönen. Es zeigt uns wieder einmal wie klein wir doch sind im Vergleich zur Natur, wie unvollkommen, wie unwissend.

Wir sind voller Respekt für die Menschen die dort am Rio Amazonas mit und für die Natur leben und uns in dieser Woche einen kleinen Einblick in ihre Welt gewährt und uns an ihrem Wissen, das unser westliches Wissen in vielen übersteigt, haben teilhaben lassen.

Und jetzte seid ihr dran! Erzählt uns von euren Erfahrungen im Dschungel!

Schreibt es in die Kommentare oder schreibt uns auf Instagram.

Wir freuen uns auf euch!

 

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2 Kommentare zu „Dschungel-Tour am Amazonas“

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