Dschungel-Tour am Rio Amazonas

Mit dem Kanu erkunden wir den Dschungel.

Dschungel-Tour am Rio Amazonas

-Irgendwo zwischen Kolumbien, Brasilien und Peru-

Lautlos glitten wir dahin. Die Sonne, ein glühender Feuerball, senkte sich bereits auf den Horizont herab und färbte den wolkigen Himmel in sanftes orange und violett. Das Muster der Wolken spiegelte sich im Wasser vor uns, dass sich in kleinen Wellen um den Rumpf unseres hölzernen Kanus kräuselte. Das dichte Grün an den Ufern rechts und links von uns leuchtete sanft im goldenen Schein der untergehenden Sonne. Je weiter sie sich dem Horizont nährte, umso mehr schien der Amazonas Regenwald zum Leben zu erwachen. Versteckt in undurchdringlichem Dickicht riefen seine Bewohner die Nacht herbei. In ihren letzten Strahlen zeigten sich vor uns zwei rosafarbene Flussdelfine. Alles schien still zu stehen. Es gab nur noch diesen Moment, wo alles im Einklang war. So wie es sein sollte und so wie es schon immer gewesen ist. Irgendwo auf einem Nebenfluss des Amazonas zwischen Brasilien, Kolumbien und Peru.

Konnte das wirklich sein? Waren wir wirklich hier? An diesem Ort, den ich mir solange ich denken konnte in den buntesten Farben ausgemalt hatte? -Davon zeugten zahlreiche Wasserfarben-Kunstwerke in der alten Küche meiner Eltern.- An diesem unglaublichen Fluss auf dem sich so viele Abenteuer meiner liebsten Bücher abspielten? Obwohl ich den Amazonas Regenwald in seiner ganzen Pracht sah, hörte und roch, konnte ich es an diesem ersten Abend noch nicht glauben.

Ein Flussdelfin zeigt sich während des Sonnenuntergangs

„Es ist so unwirklich.“, sagte ich später zu Yannik als wir in unserem Bett in Kindergröße in dem dafür riesigen Zimmer der hölzernen und auf Stelzen erbauten Zacambu-Rainforest Lodge lagen und dem lauten Prasseln des Tropenregens auf dem Dach der Lodge lauschten. „Ja, ich kann es auch nicht glauben.“, erwiderte er und sah mich ernst an. „Vor allem nach den letzten Wochen.“ Ich stimmte in Gedanken zu. Die letzten Wochen in Peru waren wirklich alles andere als einfach gewesen. Zuerst hatte mich in Cusco ein Magen-Darm-Infekt erwischt, anschließend in Huaraz auf über 3000m Höhe die Grippe und zum krönenden Abschluss fochten wir in Lima einen ziemlich üblen Streit aus, der wohl zwangsläufig irgendwann zustande kommt wenn man mehrere Monate 24/7 in fremden Landen aufeinander sitzt. Doch trotz unserer beiden Hitzköpfe, die wir nun mal hatten, waren wir jetzt zusammen hier, an diesem magischen Ort. Ich lächelte versonnen und kuschelte mich bei ihm ein. „Lass uns die nächsten Tage hier einfach mal Urlaub machen. Nichts planen, kein Internet, einfach nur da sein. Tio kümmert sich ja um alles.“, sagte ich halb scherzend.

Tio (spanisch für Onkel) heißt eigentlich Michael und war unser Guide. Gemeinsam mit seiner Familie wohnte er ebenfalls in der schönen Lodge. Sie stammten aus Peru und ihre Familien, die zu den Quechua gehörten, lebten schon immer an und von dem Fluss. -Früher vom Fischfang, heute vom Tourismus. Michael hatte einen kleinen Neffen, Klein-Tio, wie wir ihn nannten. Und der liebte seinen Tio so sehr, dass wir seine fröhlich, quietschenden Rufe schon von weitem hatten hören können als wir an diesem Abend mit Michael in seinem motorisierten Kanu wieder Kurs auf die Lodge genommen hatten. Jeden Abend sollte uns der Kleine nun mit einem langgezogen „Tiooo“ am Steg der Lodge empfangen.

Unsere Unterkunft am Rio Javari. Die Zacambu Rainforest Lodge.
Die Zacambu Rainforest Lodge am Javari River

Von Leticia zur Zacambu Rainforest Lodge am Rio Javari

Die Zacambu-Rainforest Lodge war in absolut tadellosem Zustand. Sie befand sich am Javari-River etwa 77 km von Leticia entfernt im peruanisch-brasilianischen Low-Forest. Die nächste Stadt, Benjamin Constant, gehört zu Brasilien und liegt an der Einmündung des Rio Javari in den Amazonas an der Grenze zu Peru und Kolumbien. Die Grenze verläuft dabei durch den Fluss. Die Lodge gehört zu unserem lokalen Tour-Anbieter aus Leticia. Amazon-Jungle-Trips laboriert bereits seit 1989 von Leticia aus und hat es sich auf die Fahne geschrieben eng mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiten und diese durch den Tourismus zu fördern. Andersherum profitierten wir als Reisende von dem unglaublichen Wissen der Locals, deren Familien seit jeher eng mit dem Amazonas Regenwald verbunden sind und teilweise noch indigene Sprachen und Bräuche pflegen.

Dazu gehörte auch der Gang über den örtlichen Fischmarkt, bevor wir mit der „Fähre“ auf den breiten und braunen Amazonas aufgebrochen waren um Michael zu treffen. Unser Vermittler von der Agentur kutschierte uns persönlich, samt Gepäck und allerlei Vorräten, in seinem klapprigen Auto zunächst zum Fischmarkt, um uns über die lokalen Arten aufzuklären, die man uns in der Lodge fangfrisch servieren würde. Dabei bemerkte er nicht, dass die gänzlich unklimatisierte Markthalle, der Geruch der ebenfalls ungekühlt aufgereihten Fische, die an Ort und Stelle ausgenommen wurden, leicht auf den Magen schlug. Der einzige Fisch an den ich mich erinnern konnte und der auch sehr gut geschmeckt hat, war die riesige, schwarz-rote Arapaima.

Marktszene aus Leticia.
Gang über den Markt in Leticia.
Gang über den Fischmarkt in Leticia.

Mit der „Fähre“, einem größeren, hölzerneren Kanu mit Sitzbänken und einer Plastikplane als Dach, schipperten wir dann also los. Quer über diesen epischen Fluss, auf dem allerlei los war. Größere Boote verkehrten wie Busse und spuckten an unscheinbaren „Haltestellen“ am Ufer Menschen jeden Alters aus, anderen transportierten Frachten – von Holzbalken bis hin zu Hühnern, war alles dabei. In den flacheren Gewässern nahe am Ufer des Amazonas, der teilweise bis zu 20 km breit werden kann, waren viele kleinere Kanus unterwegs, zumeist mit älteren Männern am Paddel. Dies erinnerte mich an die Jagdkanus wie sie teilweise in Sibirien verwendet werden und ich schloss daraus, dass die Männer auf diese Weise den Fisch auf den Tisch brachten. An den Ufern ließen sich Kinder fröhlich jauchzend von Ästen ins Wasser schwingen und in den matschigen Vorgärten der auf stelzen erbauten Wellblech- oder Holzhütten hockten Frauen und wuschen mit Waschbrettern ihre Wäsche, nicht selten unter dem erstaunten Blick einer Kuh. Szenen, die den Eindruck erweckten, als stammten sie aus einer anderen Zeit.

Je weiter wir uns von Leticia entfernten, auf einem der nicht weniger breiten Seitenarme des Amazonas, umso seltener wurden motorisierte Boote und Stelzenhäuser am Ufer. Teilweise waren noch kleinere Plantagen auszumachen, doch schon bald gab es um uns herum nichts als undurchdringliches Dickicht. Obwohl es noch früh war, brannte die Sonne bereits unerbittlich und es schien von Minute zu Minute heißer und schwüler zu werden. Ich sah zu Yannik, der hinter mir saß. Er schüttelte nur den Kopf und in seiner Miene sah ich das gleiche, ungläubige Staunen wie ich es fühlte.

Das Leben am Amazonas. -So völlig anders als wir es kennen.
Leben am Amazonas

Irgendwann verlangsamte unser Skipper das Tempo und begann geschäftig die Vorräte auf dem Boot umzustapeln. Waren wir da? Es war weit und breit nichts zu sehen und auch kein Ufer in Sicht, denn der Wald um uns herum war gänzlich überflutet. Im peruanischen Low-Forest, in dem wir uns nun befanden -wir hatten unterwegs völlig unbemerkt die kolumbianische Grenze überquert und die brasilianische gestreift- steht das Wasser während der Regenzeit bis zu sechs Meter hoch. Aktuell, im Juni, sank der Wasserstand bereits. In den kommenden Monaten würden einige Gebiete dieses Teils des Regenwaldes komplett trocken werden, bis im Frühjahr der Regen wieder einsetzte. Zugegeben, damit hatten wir nicht gerechnet. 

Völlig unerwartet kam es für uns daher auch, als vor uns im Schilf plötzlich ein Mann mit lila Langarmshirt, grauer Schlabberhose, die in Gummistiefeln steckte, in einem blauen Kanu auftauchte und uns zuwinkte. Der Skipper machte uns begreiflich, dass es sich dabei um unseren Guide Michael handelte, der uns zur Unterkunft mitnehmen würde und wir jetzt samt Gepäck und Vorräten das Boot wechseln würden. Kein so einfaches Unterfangen, aber niemand war nass geworden! Wir stellten uns vor, bemerkten, dass Michael nicht wirklich englisch sprach und er, dass wir nicht wirklich spanisch sprachen. Aber das machte nichts. Er strahlte eine solche Ruhe und Sicherheit aus, dass wir vermutlich überall mit ihm hingefahren wären. Und Yannik konnte sich ohnehin mit jedem verständigen.

Ab in den Dschungel! Wir treffen unseren Guide Michael.
Mitten im Schilf, auf einem der vielen Seitenarme des Amazonas, erwartet uns unser Guide. Mitten auf dem Wasser wechseln wir das Boot.

Drei Tage auf dem Rio Javari - Mit dem Kanu durch den Dschungel

So wies uns Michael, während wir die kommenden Tage mit dem Kanu über verschlungene, schmale Wasserwege durch den Dschungel tuckerten, die wir mit bloßem Auge nicht erkannt hätten, auf allerlei Tiere hin. Gleich nachdem wir aufgebrochen waren entdeckte er hoch oben in den Baumwipfeln ein Faultier. Mit dem gekonnt nachgeahmten Ruf des Adlers brachte er es tatsächlich dazu einmal den Kopf zu drehen, denn Adler fressen Faultiere! Auch Kapuzineräffchen konnte er mit seinen Rufen anlocken. Besonders berührt beobachteten wir einen Schwarm roter Aras munter über unseren Köpfen dahin schnattern, da sie so gar nicht den traurigen Vögeln in unseren Zoos und Vogelparks entsprachen. Nachts brachen wir auf um Kaimane zu suchen, die Michael gekonnt anhand der leuchtenden Augen aufspüren konnte. Er berichtete, dass es seit einigen Jahren nur noch kleinere Arten gäbe. Die Bestände der größeren, der schwarzen Kaimane, seien durch Wilderei stark zurück gegangen. Auch größere Säugetiere seien seltener geworden.

Rote Aras
Faultier auf dem Baum
Faultier

Während einer besonders langen Fahrt mit dem Kanu durch den Regenwald, ich saß ausgestreckt auf meinem bequemen Kissen im Kanu, lauschte den Geräuschen des Dschungels, genoss das warme, durch die Blätter grünlich schimmernde Sonnenlicht auf der Haut, da räusperte sich Yannik plötzlich. Alle schreckten auf, mit alle meine ich mich, Michael und seinen Schwager, der uns heute begleitete. „Ähm… Pipi…donde (wo)?“, stammelte Yannik und gestikulierte in Richtung seines Schritts. Die beiden Männer lachten und sagten wohl so etwas wie „lass laufen“ und wiesen aufs Wasser. Klar, anlegen konnte man hier nirgends. Wir sahen diskret weg, während Yannik sich schwankend im Boot erhob und…erstmal nichts geschah. Ich musste mir das lachen verkneifen.

Nachdem das Geschäft erledigt war und wir gemächlich weiter paddelten, sagte Michaels Schwager, der etwas besser englisch sprach: „Weißt du, wenn man hier ins Wasser pinkelt, dann kommt der Penis-Fisch.“ Ich prustete los und Yannik blickte leicht erschreckt drein. Klein-Tios Vater lachte schallend. „Der Penis-Fisch ist eigentlich ein Bakterium, das von Urin angezogen wird und dann in die Harnröhre krabbelt. In der Blase wir es dann zum Fisch.“, führte er dann weiter aus. Und fügte anschließend hinzu: „Wir gehen später noch schwimmen.“ Ich hörte wie Yannik murmelte: „Jetzt bestimmt nicht mehr.“ Und das wollte schon etwas heißen, denn er sprang, sehr zu meinem Leidwesen, eigentlich überall hinein. -Egal wie warm, kalt oder gefährlich. Ich hingegen hüpfte später munter mit den anderen beiden ins kühle Nass. Wann hat man schonmal die Gelegenheit im Amazonas zu schwimmen!

Drei wunderbare Tage verbrachten wir auf dem Rio Javari. Die Zeit schien aufzuhören zu existieren. Wir lebten nach dem Rhythmus, den uns der Dschungel vorgab. Sobald es hell wurde, gab es Frühstück und wir brachen auf. Mittags, wenn es regnete, kehrten wir zur Lodge zurück, baumelten in Hängematten und lauschten dem beruhigenden Prasseln des Regens. Gegen Abend brachen wir wieder auf, um den Sonnenuntergang zu sehen und Tiere zu beobachten.  Außer Tios Familie und einigen Fischern in ihren Kanus begegneten wir kaum einer Menschenseele.

Auch gesprochen wurde kaum. Der Regenwald sprach für sich, wir waren nicht in der Lage, das was wir sahen mit Worten auszudrücken, wir sogen es still in uns auf. Und doch herrschte kein unangenehmes Schweigen. Es war ein stilles Einvernehmen darüber, dass nicht immer alles gesagt werden musste. Die langen Diskussionen und Streitereien, die unsere letzten Wochen in Peru so geprägt hatten, waren vergessen. Alles was für mich zählte war das hier und jetzt und die Dankbarkeit, die ich dafür empfand, mit Yannik an diesem Ort sein zu dürfen.

Drei Tage mit dem Kanu durch den Amazonas Regenwald.

Mit Bedauern erreichten wir daher am letzten Tag das geschäftige Treiben des Rio Amazonas. Michael, Klein-Tio und seine Mutter waren mit im Kanu. Während die kleine Familie, die uns so ans Herz gewachsen war, in Richtung Leticia weiterfuhr, um einige Einkäufe zu erledigen, bestiegen wir ein anderes Boot, dass uns in entgegengesetzter Richtung in den kolumbianischen High-Forest, den Primärwald mit seinen Urwaldriesen brachte. Dort würden wir die nächsten Tage verbringen und die Erfahrung dort, würde eine gänzlich andere sein….

Und jetzte seid ihr dran! Erzählt uns von euren Erfahrungen im Dschungel!

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Wir freuen uns auf euch!

 

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