Triglav Wanderung mit Hindernissen
„Also ich glaube der Typ von vorhin hatte recht. Um vier wird es Gewittern“, stellte ich fest, blickte besorgt in den wolkenverhangenen Himmel und legte noch einen Zahn zu. „Ach was, es wird nicht gewittern und wir sind ja auch gleich da“, erwiderte Yannik, sorglos wie immer. „Ja klar“, dachte ich und blickte noch besorgter auf den vor uns liegenden, über steile Geröllfelder nach oben führenden Kanjavec Pass. Noch ca. 2,5 Stunden sollten es laut dem rostigen Schild am Wegesrand bis zur Dolič Hütte sein. Dort wollten wir übernachten und am nächsten morgen zum Gipfel des Triglav aufsteigen. Nach den 5,5 Stunden, die bereits hinter uns lagen, erschien uns das trotz des einsetzenden, eiskalten Platzregens wie ein Katzensprung.
Doch eins nach dem anderen…
Besser spät als nie - Aufbruch nach Planina Blato und der Beginn unserer Triglav Wanderung mit Hindernissen
Anders als ursprünglich geplant, brachen wir an diesem Tag nicht um fünf zum Ausgangspunkt der Sieben Seen Wanderung, die uns bis zum Triglav führen sollte, auf sondern erst um halb zehn. Jeder einigermaßen erfahrene Wanderer wird jetzt vermutlich den Kopf schütteln. Aber wir hatten zumindest einen guten Grund dafür: Das nicht enden wollende Gewitter der letzten Nacht hatte unter unserem Zelt einen Bach entstehen lassen, sodass wir eine schlaflose Nacht in meinem kleinen, vollgepackten Opel Adam verbringen mussten. Entsprechend gerädert und nach hitzigen Diskussionen konnten wir der Wanderlust dann doch nicht widerstehen, zumal mittlerweile sieben Sonnen am strahlend blauen Himmel standen.
Also schnell die Rucksäcke gepackt und los, denn umdrehen kann man ja immer! Dennoch, unsere Vorbereitung auf diesen Trail war denkbar schlecht. Die Akkus unserer waren Handys fast leer, mobile Daten aufgebraucht und nicht mal eine Wanderkarte in Papierform hatten wir dabei und zu allem Überfluss war dies unsere erste Wanderung im hochalpinen Terrain. Und wieder höre ich alle Wanderer und Alpinisten aufstöhnen. Leider wurde uns dieses Dilemma erst am Parkplatz bei Planina Blato bewusst, von wo aus wir unsere Triglav Wanderung mit Hindernissen über die berühmten Sieben Seen starten würden. Naja, umdrehen können wir ja immer noch, sagten wir uns erneut und stiefelten los.
Über Sieben Seen musst du gehen...
Sämtliche Zweifel und Sorgen waren jedoch schnell vergangen, als wir nach einem langen und steilen Anstieg durch Mischwälder die erste Alm, Planina Pri Jezeru, erreichten. Uns wurde schlagartig bewusst, warum diese Wanderung als eine der schönsten in ganz Europa gilt: Saftig grüne Wiesen, gesprenkelt mit dunklen Holzhütten, umgeben von den schroffen Berggipfeln der julischen Alpen. Der schmale Wanderpfad in Richtung der sieben Seen führte uns weiter bergauf. Wir durchquerten zunehmend dunkler werdende Fichtenwälder deren bemooster Boden übersät war mit rosafarbenen Alpenveilchen und anderen Wildblumen. Es hätte eigentlich nur noch ein Einhorn gefehlt oder eine Gruppe fröhlicher Hobbits! Die Natur, die Luft, alles um mich herum erschien mir so rein, so unberührt, gar entrückt, sodass ich versuchte jeden Moment dieser Etappe zu genießen.
Irgendwann, nachdem wir ca.drei Stunden gewandert waren, fragte ich Yannik, der wie immer mehr Plan hatte als ich: „Wo sind denn jetzt die sieben Seen?“ „Ja, so genau weiß ich das auch nicht. Mir war nicht klar, dass es so weit ist…“. Zum Glück entdeckte ich auf der nächsten Anhöhe einen anderen Wanderer, den ersten in den letzten Stunden. „Die Seen sind gleich da unten. Aber passt auf, um vier wird es Gewittern.“, berichtete dieser, der im Gegensatz zu uns ein geladenes und internetfähiges Handy dabei hatte.
Ich lugte vorsichtig über den Felsvorsprung und tatsächlich, in dem dunkelgrünen Tal unter uns leuchteten die Seen in den unterschiedlichsten grün und blau Tönen. Nachdem wir den Anblick von oben eine Zeit lang bestaunt hatten, wäre ich am liebsten umgedreht. Ich spürte die schlaflose Nacht bereits in den Beinen und ich hatte panische Angst vor dem Gewitter. Doch wie immer überredete mich Yannik zum Weitergehen, sodass wir uns kurze Zeit später an Seilen den steilen Abhang hinunter hangelten.
Das Wasser des Sees an dem wir anschließend unser Käsebrot mampften, war so glasklar und die Bergkette dahinter spiegelte sich so perfekt darin, dass es fast unwirklich schien. Und das trotz der Hütte an der sich schon zahlreiche Wanderer tummelten. Kein Fitzelchen Müll war zu sehen – etwas das mir generell an Slowenien in Erinnerung bleiben wird. Nach kurzer Rast setzten wir also unseren Aufstieg fort. Den Rest würden wir jetzt auch noch schaffen, auch wenn es bereits 14:00 Uhr war…
Von Gewitter-Panik und Hütten-Romantik
Blöderweise begann es pünktlich um vier tatsächlich in Strömen zu regnen und die ersten Blitze erhellten den nun wolkenverhangenen Himmel. Donner grollte bedrohlich durch das Tal, verstärkt durch die steil aufragenden Berge um uns herum. Es wurde so neblig, dass es unmöglich war auszumachen aus welcher Richtung das Gewitter kam. Den höchsten Punkt des Kanjavek Passes, dessen steilen und holprigen Aufstieg wir gerade begonnen hatten, konnten wir bereits nicht mehr ausmachen. Ein uns entgegenkommender Wanderer wollte uns zum Umkehren bewegen, weiter oben sei die Hand nicht mehr vor den Augen zu erkennen. Doch wir waren bereits auf halber Höhe und es waren nur noch maximal 1,5 Stunden bis zur Dolič-Hütte. Wir beschlossen langsam weiter zu gehen.
Es hatte nicht sollen sein. Meine Angst vor Gewitter wurde zu Panik, bei jedem Donner ging ich in die Knie und hielt mir die Ohren zu. Yannik geriet ebenfalls in Panik, hatte er doch keine Ahnung wie er mich wieder beruhigen sollte. Schließlich kauerten wir uns unter einen Felsbrocken und warteten bis der Regen nachließ und der letzte Donner verhallt war. Ich zitterte am ganzen Körper und mir war schrecklich kalt. Langsam gingen wir weiter den Pass hinauf, unschlüssig, ob wir nicht besser umkehren sollten. Als wir die Passhöhe dann schließlich erreicht hatten, standen wir wieder in dichtem Nebel und nach einigen weiteren unsicheren Schritten verkündete Yannik dann: „Das ist nicht die richtige Richtung. Ich bin mir nicht sicher wo der Weg ist. Lass uns umdrehen. Wir sind beide müde, am Ende verletzen wir uns in diesem Geröll.“ Ich atmete auf. Gott sei Dank!
Nach einem kräftezehrenden Abstieg erreichten wir schließlich mit zittrigen Knien und knurrenden Mägen die Hütte Prehodavcih. Während ich mich vor der Hütte in die Sonne setzte und mich von einigen älteren Herren um die 70 in einem Kauderwelsch aus italienisch, slowenisch und deutsch über das Wandern und die Alpen belehren ließ, checkte Yannik uns ein und besorgte zwei dampfende Schüsseln Sauerkraut-Eintopf mit Würzfleisch. Es erschien mir wie das beste Essen, das ich je gegessen hatte. Es störte uns auch nicht im geringsten, dass es im warmen Aufenthaltsraum der Hütte streng nach Käsefuß roch, genauso wenig wie die Unterhose von einem der älteren Herren am Fenster des 30 Betten-Schlafsaals. Ein Lehrer-Ehepaar aus Deutschland lud uns noch auf ein Glas Rotwein ein. Nun lachten wir bereits über unsere Triglav Wanderung mit Hindernissen. Später konnte uns auch das laute Schnarchen des älteren Herren nicht aus der Ruhe bringen. Die Erfahrung, in einer Berghütte zu übernachten sollte jeder mal gemacht haben, es bringt Menschen, im wahrsten Sinne des Wortes, näher zusammen!
Planinska koča na uskovnici - Aus der Zeit gefallen
Einigermaßen ausgeruht, begannen wir am nächsten morgen bei schönstem Wetter und der reinsten Luft die wir je atmen durften, den Abstieg. Nicht ohne Diskussion, ob wir nicht jetzt die Etappe zur Dolič-Hütte antreten sollten. Yannik hatte eindeutig ein Problem damit, es nicht zum Gipfel des Triglav geschafft zu haben. Mich wurmte es zwar auch ein bisschen, aber ich versuchte es positiv zu sehen. Wir hatten das Gewitter überstanden, wunderschöne Natur erlebt und erste Erfahrungen in den Alpen gesammelt, die wir nach unseren Wanderungen in den Anden und dem Grand Canyon wohl etwas unterschätzt hatten.
Am späten Nachmittag erreichten wir schließlich unseren Ausgangspunkt bei Planina Blato. Die nächste Herausforderung bestand darin meinen tiefergelegten City-Flitzer eine ziemlich steinige und holprige Off-Road-Piste bergauf zu unserer nächsten Unterkunft zu fahren. Zur Feier des Tages, Yannik hatte nämlich Geburtstag, wurde heute mal nicht gecampt. Wir hatten uns in die ziemlich schicke und zugleich urgemütliche Hütte Planinska koča na uskovnici eingemietet. Wer Ruhe, Idylle, Gastfreundschaft und hervorragende slowenische Hausmannskost sucht, der sollte dort absteigen. Nach Gulasch, Bier und Strudel unternahmen wir im Sonnenuntergang noch einen kurzen Spaziergang durch saftig grüne Wiesen. Die Bergkette am Horizont schien sich in ein rosafarbenes Gewand gehüllt zu haben und irgendwo aus einem der benachbarten Holzhäuser erklangen tiefe Männerstimmen, begleitet von einem Akkordeon, die mal muntere, mal melancholische, volkstümliche Melodien anstimmten.
Und mit diesem wunderschönen Abend, an diesem traumhaften, aus der Zeit gefallenen Ort, vergaßen wir alle Beschwerlichkeiten über unsere Triglav Wanderung mit Hindernissen.
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