Safari im Krüger Park
Mittagspause mit Löwinnen
„It seems to me that the natural world is the greatest source of excitement; the greatest source of visual beauty; the greatest source of intellectual interest. It is the source of so much life that it makes life worth living.“
Sir David Attenborough
Es war sechs Uhr morgens, die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die Ausfahrt des Campingplatzes, dessen Tor gerade von zwei Parkrangern in dunkelgrünen Uniformen und braunen Lederstiefeln geöffnet wurde. Wir waren eines der ersten Autos die an diesem morgen zur Safari im Krüger Park aufbrachen. „Schnell macht die Musik an!“, rief ich vom Fahrersitz aus meinen Mitfahrern Marcel und Yannik zu. Es war mittlerweile, nach unserer dritten Nacht im Krüger Nationalpark, zur Tradition geworden, dass wir beim Passieren eines Gates die Titelmusik von Jurassic Park abspielten.
Hochmotiviert und in Abenteuerstimmung rollten wir mit Spot-Geschwindigkeit von 30 kmh hinaus in die schier endlosen Weiten des Nationalparks. Wir genossen die noch frische Morgenluft, die durch die geöffneten Fenster hinein wehte. Heute sollten es über 40 Grad im Park werden! Marcel putzte auf dem Rücksitz gerade seine Brille. „Harry Spotter ist am Start!“, ja, auch nach dem x-ten mal lachten wir noch über dieses brilliante Wortspiel.
Wie alle anderen Reisenden im Krüger Park auch, wollten wir natürlich unbedingt Raubkatzen sehen – Löwen, Leoparde und Geparde gab es im Park. „WHERE ARE THE LIONS, WHERE ARE THE CHEETAS, WHERE ARE THE LEOPARDS?!“, hatte uns an unserem erstem Tag hier ein beleibter, weißer Südafrikaner aus seinem monströsen Geländewagen entgegen gebrüllt. Dass hinter ihm gerade das größte Landsäugetier der Erde gemütlich über die Straße schlenderte, schien ihn nicht zu beeindrucken. Die grauen Dickhäuter waren ihm nicht spektakulär genug.
Das Wunder des Lebens
An diesem vierten Tag auf Safari im Krüger Park sollte es nun aber auch für uns so weit sein: Endlich wollten wir Löwen sehen. „Lets go to the Lions!“, rief ich, nachdem wir von der Zufahrt des Camps auf die asphaltierte Hauptstraße des Nationalparks abbogen und beschleunigte auf 40 kmh. „Seht ihr das, die da vorne haben gehalten, da muss etwas sein!“ „Nee, falscher Alarm, die fahren weiter.“ Tatsächlich sollten wir an diesem morgen, außer einem paar Impalas, die wie immer reglos am Straßenrand standen, keinem einzigen Tier begegnen. Lag es an der Hitze? Schon um zehn Uhr zeigte Raymond, unser weißer Toyota, über 30 Grad an.
Langsam fuhren wir durch die Hitze. Schweigend. Die Aufmerksamkeit ganz auf die mit struppigen Büschen bewachsene Weite gerichtet. Bei der kleinsten Bewegung, die einer von uns glaubte wahrzunehmen, machte ich eine Vollbremsung und Yannik zoomte mit seinem Monsterobjektiv den ein oder anderen Baumstamm oder Stein heran, der in der flimmernden Luft so verdächtig nach einem Löwenkopf ausgesehen hatte.
Mit der Zeit wandelte sich die Landschaft vor unseren Autofenstern. Die braungrüne Steppe wich verbrannter Erde. Soweit das Auge reichte war alles niedergebrannt. Teilweise kräuselten sich noch Rauchfahnen über verkohlten Baumstämmen, letzte Glutherde schwelten orange-rot vor sich hin. „Ob das ein echter Brand war oder die das absichtlich gemacht haben?“, fragte ich in die Runde. Wir wussten, dass in einigen Teilen des Parks bewusst Feuer gelegt wurden, um unkontrollierte Buschbrände zu verhindern. Bereits am Tag zuvor hatten wir massive Rauchwolken am ansonsten blauen Himmel gesehen.
Zu unserer Verblüffung tummelte sich dort eine ganze Zebraherde, begleitet von ein paar traurig aussehenden Gnus. Die Tiere legten mit ihren Hufen das frische grün frei, das unter der Asche sprießte und zupften es genüsslich ab. Ein Fohlen, das noch keine drei Tage alt sein konnten, drückte sich eng an seine Mutter und starrte uns aus großen, dunklen Augen neugierig an. Auf wackeligen Beinen stakste es neben seinen älteren Artgenossen her.
Lange beobachteten wir die kleine Herde, wie sie langsam, immer auf der Suche nach frischem Grün, durch die verbrannte Landschaft zog. Da war es wieder, das Wunder des Lebens!
Die Königinnen des Tierreichs
Am Nachmittag, wir hatten gerade die Mittagspause an einem der wenigen Picknickspots des Krüger Parks verbracht und versuchten das Mittagstief zu überwinden, kam uns ein dunkelgrüner Safari-Truck entgegen. Die Passagiere sahen ähnlich verschlafen aus wie wir – kein Wunder das Thermometer zeigte gerade 43 Grad an! Die Rangerin rief uns zu: „In five kilometers in this direction“, sie wies mit dem Arm über ihre Schulter, „ are lions on the left!“ Mit einem Schlag waren wir wieder hellwach. Ich beschleunigte auf Spot-Geschwindigkeit. „Die sind bestimmt längst weg, bis wir da sind.“, brummte Marcel, ganz der Optimist, von der Rückbank.
„Hier ist weit und breit kein Auto, hier können keine Löwen sein.“, kommentierte Yannik nach etwa fünf Kilometern. Es stimmte, normalerweise gab es immer einen Riesenauflauf, wenn irgendwo Raubkatzen auftauchten. „ Ich fahr mal in die Parkbucht.“, verkündete ich und deutete auf eine kleine Ausbuchtung auf der linken Seite.
Und da, sieben Löwinnen hielten Mittagsruhe im Gras unter großen schattenspendenden Bäumen. Sie waren so nah, dass ich die Fliegen, die sich auf ihnen tummelten, erkennen konnte. Ich stellte den Motor ab und ließ das Fenster bis zur Hälfte hinunter. Sofort wurde es unerträglich heiß im Auto. Doch keiner von uns wagte es, sich zu rühren oder auch nur einen Mucks zu machen. Ich spürte, wie mir die ersten Schweißperlen den Rücken hinunterliefen, wagte kaum zu atmen. Sechs der Löwendamen lagen im Gras, auf der Seite oder auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt. In ihren geöffneten Mäulern konnte ich ihr weißes Gebiss ausmachen. Sie hechelten, um sich zu kühlen.
Die siebte Löwin saß aufrecht in ihrer Mitte. Wie eine Sphinx. Majestätisch, reglos, mit prüfendem Blick. Ihre schmalen gelbgrünen Augen waren starr auf uns gerichtet. Sie schien uns abzuschätzen. Anscheinend waren wir ihre Aufmerksamkeit nicht wert. Ihr muskulöser Körper entspannte sich. Sie blinzelte und ließ sich zur Seite kippen. Gleichzeitig erhob sich eine ihrer Kolleginnen, die weiter hinten im Gras gelegen hatte und kam mit gesenktem Kopf auf uns zu. Wieder wurden wir gemustert. Ich merkte, wie ich den Kopf neigte. Sie war die Stärkere, die Würdigere von uns beiden. Die Löwin rieb ihren schönen Kopf an dem ihrer nun liegenden Vorgängerin und nahm deren Platz als Wächterin des kleinen Rudels ein. Fliegen summten. Kein Grashalm bewegte sich. Die Welt stand still.
Respekt
Ich weiß nicht, wie lange wir reglos da saßen. Auge in Auge mit diesen majestätischsten aller Katzen, ihrer Aufmerksamkeit nicht würdig. Mein T-Shirt war jedenfalls komplett durchnässt, als hinter uns noch zwei weitere Autos anhielten. Die Magie des Augenblicks war gebrochen. Die Welt drehte sich wieder. Das Brummen der Motoren durchbrach die Stille. Laute Stimmen waren zu hören. Die Löwinnen wurden unruhig, ihrer Mittagsruhe beraubt. „Kommt, wir fahren weiter.“, murmelte ich leise, traurig, wütend. -Wieder einmal, wegen meiner respektlosen Artgenossen.
Die Begegnung mit diesen wunderschönen Tieren bleibt für immer. Wohlwissend, dass die Löwinnen sich auch hätten ganz anders verhalten können. Doch wir wurden geduldet, nicht respektiert, aber geduldet.
Oft habe ich den Eindruck, dass wir Menschen meinen, die Natur könne nicht ohne uns. Wir erdreisten uns, in sie einzugreifen, nehmen uns das Recht über ihr Schicksal zu entscheiden, halten uns für etwas Besseres. Dabei vergessen wir, welch ausgeklügeltes System die Natur ist. Jedes Tier, jede Pflanze, jeder Organismus hat dort seinen Platz und Zweck. Einzig und allein das Tier Mensch wagt es, sich über die Gesetzte von Mutter Erde hinweg zu setzen. Mit welchem Recht, frage ich mich. Was hat uns so arrogant werden lassen?
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Ich könnte stundenlang weiterlesen
Danke 🙂 Bald kommt ein zweiter Teil aus dem Krüger Nationalpark.
Top….macht Spass zu lesen und macht Lust auf mehr….
Hi Dirk,
danke, für den netten Kommentar und dass du bei darumreisen vorbei geschaut hast!
Mehr ist in Arbeit 🙂
Bis bald und viele Grüße
Caro und Yannik