Tikal auf eigene Faust entdecken
Fühlen wie Indiana Jones
Bevor wir uns gleich mit Lederhut und Peitsche auf die Spuren der Maya begeben und die Ruinen von Tikal gemeinsam erkunden, möchten wir dir zunächst einige praktische Tipps und Infos mit auf den Weg geben, wie du Tikal am besten und am günstigsten auf eigene Faust erkunden kannst, ohne auf etwas verzichten zu müssen – wir haben schließlich nicht alle das Glück, der berühmteste Archäologe der Welt zu sein! Also: Indiana-Jones-Musik an und los geht’s!
Praktisches Reisewissen für budgetbewusste Entdecker in Tikal
Eintritt: 150 Quetzales pro Person; das Ticket muss im Voraus gekauft werden. Wir haben es direkt am ersten Tor des Parque Nacional Tikal gekauft. Dort halten alle Touren und Collectivos. Wenn man zwei Tage bleiben möchte, muss hier auch gleich das Ticket für den Folgetag gekauft werden. Reisepass nicht vergessen – der wird zum Kauf benötigt.
Öffnungszeiten: 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr – wer ganz Tikal sehen möchte, sollte zwei Tage für einen Besuch einplanen und sich auf gute 20 Kilometer Fußmarsch einstellen. Wir empfehlen dir, vor Ort zu übernachten. Das Jungle Lodge Tikal Hostal befindet sich direkt am Eingang Tikals und ist das günstigste Haus am Platz, wobei „günstig“ hier eher Ansichtssache ist. Mehr zu den Unterkünften in Tikal kannst du hier erfahren. Kurz nach Öffnung der Stätte und kurz vor Schließzeit ist es dort am ruhigsten. Die Touren sind noch nicht da oder bereits abgefahren, sodass du die Gran Plaza ganz für dich alleine hast. Auf diese Weise sparst du dir auch die Kosten für die Touren zum Sonnenauf- oder Sonnenuntergang.
Anfahrt: Von Flores aus fahren zahlreiche Touranbieter täglich nach Tikal. Wir bevorzugen es, zeitlich ungebunden zu sein, und haben daher nur einen Transfer gebucht. Nach Ankunft verließen wir die Tour dann. Für die Rückfahrt trafen wir den gleichen Touranbieter zur vorher vereinbarten Zeit am Parkplatz vor dem Museum am Ausgang. Selbstverständlich kannst du auch mit den öffentlichen Collectivos nach Tikal fahren, allerdings gibt es für diese keinen (uns bekannten) Fahrplan, sodass wir uns für die sichere Variante entschieden haben. Die Fahrt von Flores nach Tikal dauert gute zwei Stunden. Um 16:00 Uhr fahren die meisten Touren bereits zurück.
Verpflegung: Wir empfehlen, pro Person zwei bis drei Liter Wasser und ausreichend Verpflegung dabeizuhaben, denn im Park und in den Hotels sind Essen und Getränke entsprechend teuer. Wir haben uns für abends Wraps und ein bisschen Gemüse mitgebracht, das wir dann im Zimmer zubereitet haben. Wer zwei Tage bleibt, kann abends ein Stück die Straße zurück in Richtung Parkausgang laufen – dort gibt es auf der linken Seite ein Restaurant, das recht günstig Wasserflaschen verkauft.
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Reisewissen - eine kurze Geschichte Tikals
Bereits im Jahr 760 vor Christus begannen die Maya, das Gebiet Tikals im Dschungel von Petén zu besiedeln. Bis hinein in das 7. Jahrhundert nach Christus entwickelte sich Tikal schließlich zum herrschenden Königreich im Petén und zur militärischen Großmacht im Reich der Maya. Zu seiner Blütezeit umfasste das Stadtgebiet von Tikal etwa 30 Quadratkilometer und beherbergte ca. 100.000 Menschen.
Über den Niedergang Tikals scheiden sich noch heute die Geister. Die plausibelste Theorie ist, dass die Maya Opfer ihres eigenen Fortschritts wurden. Macht und Reichtum entfremdeten sie von ihren Werten und Traditionen, von der Natur, mit der sie einst im Einklang lebten, und führten zur Spaltung der eigenen Gesellschaft und Kultur. Naturwissenschaftliches, astronomisches und medizinisches Wissen ging dadurch verloren und führte schließlich zum Verfall der Mayareiche. 2000 Jahre später begeht die Menschheit die gleichen Fehler.
Heute ist die einst gerodete Fläche des Stadtgebiets von Tikal wieder mit dichtem Dschungel bewachsen. Die archäologische Stätte mit über 6.000 Bauwerken und vielen weiteren, noch nicht erfassten, liegt heute im Zentrum des 550 Quadratkilometer umfassenden Parque Nacional Tikal, der bereits 1979 zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt wurde.
Entdeckungstour durch Tikal - Abseits der Massen
Templo 6
Anders als die Touren und die meisten anderen Besucher wenden wir uns vom Übersichtsplan nach dem Kartenhäuschen nach links – weg von der Gran Plaza. Trotz des Besucherstroms sind wir nun ganz allein. Um uns herum nur die schwüle Hitze und die Geräusche des Dschungels. Der grün-warme Schein der Sonne durch das tropische Blätterdach lässt uns träumen. Ob die Maya vor 2.000 Jahren wohl schon auf diesen Wegen wandelten?
Nach ca. zwanzig Minuten erreichen wir den Templo 6. Völlig entgeistert stehen wir vor dem kunstvollen, perfekt symmetrischen Bauwerk. Wir berühren ehrfürchtig die bemoosten Steine, atmen den leicht modrigen Duft der Zeit. Zwischen den Steinquadern drängen hellgrüne Pflänzchen ans Licht der Welt. Wird es eine Zeit geben, in der Tikal wieder eins mit dem Dschungel wird?
Templo 6 ist bekannt für seine Inschriften auf der Rückwand des Gebäudes. Nur wenige Schriftzeugnisse Tikals sind erhalten geblieben. Wir teilen uns diesen Ort allein mit einem kleinen Tukan, der uns von seiner Palme herab neugierig beäugt.
Südakropolis & Templo 5
Wir halten uns weiter links auf schmalen Pfaden durch den Dschungel. Ein gewaltiger, von Ranken und Pflanzen umschlungener Hügel vor uns zeigt, dass wir die noch immer verborgene Südakropolis erreicht haben. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir symmetrisch aufeinandergesetzte Steinquader unter der dichten Vegetation. Allerlei Gerätschaften und kleine Hütten zeugen von den Ausgrabungen, die hier in vollem Gange sind.
Hinter der Südakropolis erreichen wir Templo 5 – den heimlichen Star Tikals. Anders als bei den anderen Bauten der Stadt ist seine Spitze abgerundet. Die Treppenstufen scheinen senkrecht in den Himmel zu führen, so hoch und steil wirken sie von unten. Die Perfektion, die Macht, die dieses Bauwerk aus dem 7. Jahrhundert nach Christus ausstrahlt, lässt uns euphorisch werden. Wir schießen ein Foto nach dem anderen und schütteln gleichzeitig immer wieder den Kopf – können nicht glauben, dass das hier wirklich ist.
Plaza des los siete Templos & El Mundo Perdido - die verlorene Welt
Das ist der Ort, an dem mein Historikerherz und meine durch unzählige Romane befeuerte Phantasie so richtig in Wallung kommen. Ich stehe nicht mehr auf platt getretenem Rasen zwischen verfallenen Ruinen. Die fotografierenden Touristen um mich herum verschwinden. Stattdessen erwacht Tikal zum Leben. Ich sehe hitzige Ballspiele auf dem besonderen, dreifachen Ballspielplatz – wie muskulöse, schweißglänzende Körper um Anerkennung und Ruhm ringen. Wie edel gewandete Maya die steinernen Pyramiden erklimmen, den Lauf der Sonne, des Mondes und der Sterne verfolgen.
Die Anordnung der Bauten der Mundo Perdido deutet darauf hin, dass sie wie eine astronomische Uhr genutzt wurden. Das älteste Bauwerk Tikals, das auf 700 vor Christus datiert wird, befindet sich hier.
Templo 4 - der Höchste Tikals
Nur mühsam kehre ich in die schwüle Wirklichkeit zurück. Mittlerweile liegt die Mittagshitze schwer über der Mayastadt, macht uns träge und jeden Schritt ein bisschen schwerer. Doch wir wollen weiter. Anders als die meisten Besucher wollen wir ganz Tikal bewundern, nicht nur die großen Haupttempel. Durch den Complejo N aus der spätklassischen Zeit gelangen wir zur höchsten Pyramide Tikals. 65 Meter ragt der Templo 4 in den Himmel über das Dach des Regenwaldes hinaus.
Eine Holztreppe führt an der Seite des Tempels bis nach oben. Dort drängen wir uns auf den steinernen Stufen zwischen fotowütigen und videocallenden guatemaltekischen Familien, die hier oben zu picknicken scheinen. Es gibt eindeutig schlechtere Orte dafür. Sämtliche Blicke sind Richtung Osten gerichtet. Der Wald schillert in verschiedenen Grüntönen unter dem nun babyblauen Himmel. In einer Reihe erheben sich die Spitzen der Tempel 3, 2 und 1 aus dem Dickicht, blicken am Morgen der aufgehenden Sonne entgegen. Wir können nur staunen, fühlen uns, als wären wir in einen Roman, ein Computerspiel gefallen. Unwirklich. Und beunruhigend. Wenn diese hoch entwickelte Zivilisation nicht bestehen konnte – wie soll es die unsere dann schaffen? Lernt die Menschheit aus der Geschichte?
Eine ganze Weile hängen wir dort oben unseren Gedanken nach, essen unsere letzten Snacks, als plötzlich schaurige Rufe das muntere Geschnatter der Guatemalteken durchbrechen. Unheimlich hallen die Laute über den Wald, machen die Szenerie noch unwirklicher. Brüllaffen nennen Tikal heute ihr Zuhause. Wankende Baumwipfel unter uns verraten, dass sie ganz nah sind. Einige erklimmen die Äste direkt vor der Aussichtsplattform, als würden sie den Blick über ihr Königreich schweifen lassen.
Der nördliche Gebäudekomplex
Es ist bereits Nachmittag geworden, als wir schließlich die hölzernen Stufen hinuntersteigen. Wieder nehmen wir die Dschungelpfade, weg vom Trubel und der Gran Plaza. Die nördlichen Gebäudekomplexe P, M, H, Q und R sind wenig besucht. Das Blätterdach lässt hier kaum Sonne und Luft durch. Es ist schwül, und die Tempel und Pyramiden sind von einer feuchten Moos- und Flechtenschicht bewachsen – als würden wir alles durch einen grünen Filter betrachten. Mücken summen um unsere Ohren. Immer wieder durchbricht das Kreischen der Brüllaffen die Stille.
Pyramidenförmige, mit jungen Bäumen und Sträuchern bewachsene Hügel lassen vermuten, dass es hier noch einiges zu entdecken gibt.
Der Tempel des großen Jaguar
Gegen 17:00 Uhr, die Sonne wirft bereits ihre Schatten über Tikal, erreichen wir schließlich die Gran Plaza. Die geführten Gruppen aus Flores sind bereits verschwunden. Nur noch ein paar Guatemalteken tummeln sich auf der Rasenfläche zwischen dem Tempel des Großen Jaguars und dem 38 Meter hohen Templo 2. Einige tragen traditionelle Maya-Kleidung – die Frauen in bunte, gewebte Röcke gewandet, die schwarzen Haare zu einem langen, seidigen Zopf geflochten; die Männer tragen Hut, Sandalen aus Leder, weite, ebenfalls gewebte und bunt bestickte Stoffhosen mit einer Art Schärpe und Hemden. Noch heute wird Tikal von den verschiedenen Maya-Gemeinden Guatemalas für Rituale und Zeremonien besucht.
Mit einer letzten, geradezu herkulischen Kraftanstrengung erklimmen wir die Aussichtsplattform unterhalb der Spitze des Templo 2. Die Hitze des Tages macht sich bemerkbar. Ermattet und verschwitzt, mit vor Eindrücken brummendem Schädel, lehnen wir an der hölzernen Balustrade. Unsere Blicke ruhen auf dem majestätischen Tempel des Großen Jaguars, direkt gegenüber. Von ihm scheint eine besondere Anziehungskraft auszugehen. Wir sind nicht die Einzigen, die den Blick nicht abwenden können. Die Spätnachmittagssonne fällt nun genau auf die Spitze der Pyramide. Einst raffinierte Verzierungen und Reliefs lassen sich erahnen.
Die Pyramide ist die Grabstätte des Königs Ah Cacao, der von 682–734 nach Christus als 26. Herrscher über Tikal regierte. Er war es, der Tikal zur prächtigsten Stadt der Maya-Welt machte und den größten Rivalen Tikals – das mexikanische Maya-Reich Kalakmul – bezwang.
Punkt 18:00 Uhr, und keine Minute früher, verlassen wir schließlich die Plaza. Inzwischen sind wir allein. Die untergehende Sonne taucht das Herz Tikals in sanft orangenes Licht. Trunken vor Eindrücken und mit dem wohligen Gefühl im Bauch, das nur ein erfüllter Kindheitstraum herbeiruft, taumeln wir in unser Hostel direkt am Eingang zur Ruinenstadt.
Das Herz Tikals - Gran Plaza und Akropolis Central
Pünktlich um 06:00 Uhr halten wir dem Kontrolleur am Eingang unsere Tickets unter die Nase, überholen die Sonnenaufgangstour und finden uns erneut allein auf der Gran Plaza von Tikal. Wieder erklimmen wir Templo 2. Die Wolken zaubern rosa Muster an den Himmel. Die Geräusche des Dschungels umgeben uns, die Luft ist wunderbar frisch.
In ehrfürchtiger Stille lassen wir den Blick nun zum ersten Mal über die gesamte Plaza streifen. Gestern hatte unsere Aufmerksamkeit nur noch für den Tempel des Großen Jaguars gereicht. Der Platz zwischen den beiden Tempeln wird rechts und links begrenzt durch die Acrópolis Norte und die Acrópolis Central. Wieder fällt es leicht, mir das bunte Treiben vorzustellen, das hier einst herrschte, meine, den Geruch der Feuer in den Tempeln und Opferstellen riechen zu können.
Noch mehr als die Acrópolis Norte, die in Teilen vermutlich bereits 600 vor Christus genutzt wurde und zur Blütezeit Tikals um 800 nach Christus aus mehr als zwölf Tempeln bestand, fasziniert uns die Acrópolis Central, die sich südöstlich der Gran Plaza befindet. Anders als die anderen Gebäudekomplexe Tikals besteht sie aus einem Labyrinth aus kleinen Räumen, Höfen und Tempeln. Forscher sind sich uneinig, ob hier einst die Adeligen von Tikal residierten oder ob dort rituelle Zeremonien abgehalten wurden. In jedem Fall macht es einen Heidenspaß, durch die Gemäuer zu streifen, sich durch enge Schächte zu zwängen und über Mauern und Treppen zu klettern. Da ist es wieder – das Indiana-Jones-Feeling.
Gegen 16:00 Uhr verabschieden wir uns von Tikal. Ehrfürchtig legen wir noch einmal eine Hand auf einen der großen Steinquader des Tempels des Großen Jaguars – kalt und feucht fühlt er sich an. Voller Energie und Geschichte. So bilde ich es mir zumindest ein. Tikal steht zu Recht auf der Liste eines jeden Guatemala-Reisenden. Es ist monumental.
Doch wir steigen nachdenklich in den Bus zurück nach Flores. Ein Grund für den Untergang Tikals, für den Untergang der einst so hochentwickelten Zivilisation der Maya, soll deren Entfremdung von der Natur, von ihren Werten gewesen sein. Der Guide der Tour, die uns zurück nach Flores bringt, erklärt, dass die Maya ihrer Gier nach Macht und Reichtum zum Opfer fielen. Wird man in 2000 Jahren auch die Ruinen von Berlin, New York oder Moskau unter dichter Vegetation wiederentdecken?
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