Unsere Traumreise nach Finnisch Lappland
Eine Woche im glücklichsten Land der Welt
„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“
Johann Wolfgang Goethe, Faust I
Ruckelnd senkt sich das Flugzeug immer tiefer durch die Wolkendecke herab. Um uns herum tritt die übliche Geschäftigkeit kurz vor der Landung ein. Anschnallgurte klicken, Rucksäcke rascheln, aufgeregte Stimmen erfüllen den schmalen Gang des A320. Ich starre indes aus dem ovalen Fenster nach draußen. Außer hellgraue Wolken und Nebelschwaden ist nichts zu erkennen. „Wir müssen doch bald unten sein.“, murmle ich mehr zu mir selbst als zu Yannik.
Dann einige hundert Meter über dem Boden tauchen wir endlich aus der grauen Masse auf. Viel Zeit um die Landschaft zu bestaunen, die sich nun offenbart bleibt nicht, doch was ich sehe verschlägt mir den Atem. Weite, scheinbar unendliche Weite erstreckt sich dort unten. Endloses Weiß, gesprenkelt mit dunklen Ansammlungen von Fichten, Tannen und Birken. Keine Häuser, keine Straßen, keine Industrie ist zu erkennen.
Schlagartig wird mir bewusst wo ich mich befinde. In Finnland, am Polarkreis, 200km weiter ist Russland. Und hier werden wir die kommende Woche in einer einsamen Hütte im Wald leben.
Das ist das Herausfordernde an Flugreisen. Man steigt im schmutzigen und lauten Berlin in den Flieger, verarbeitet innerlich noch die letzte Fahrt mit der BVG und zwei Stunden später findet man sich mir nichts dir nichts in diesem Paradies, einer anderen Welt, wieder.
Allein dieser kurze Blick auf die winterliche Landschaft unter uns, bevor wir schließlich rumpelnd auf dem Rollfeld von Rovaniemi aufsetzten, berührte mich zutiefst und ich ahnte bereits, dass diese Woche etwas ganz besonderes werden würde und dies vermutlich nicht mein letzter Besuch im eisigen Norden sein wird.
Von Räucherfisch und Hefezopf
„Are you Esko?“, fragte Yannik den Mann, der uns mit orangefarbener Angelkleidung und dicken, schwarzen Gummistiefeln entgegen kam, als wir die schmale Auffahrt zwischen vereinzelten Fichten und Birken hindurch auf die liebevoll dekorierte Blockhütte zugingen. „Yesss.“, erwiderte er mit zischendem S. „Should we go inside for coffee?“ Da musste er nicht zweimal fragen, schließlich waren wir seit vier Uhr morgens unterwegs.
Von Rovaniemi aus waren wir 1,5 Stunden über vereiste Straßen gefahren, um zur Hütte zu gelangen und dabei nur an wenigen Häusern oder anderen Hütten vorbeigekommen. Eskos Hütte lag am Waldrand an einer schmalen, wenig befahrenen Straße, direkt gegenüber von einem riesigen, zugefrorenen See. Das nächste Dorf, Ranua, war 35 km entfernt.
Der Innenraum der Hütte war spärlich eingerichtet, roch nach Nadelholz und wirkte durch die Wärme, die der Holzofen neben der Tür abgab, sofort heimelig. Unser Gastgeber setzte Kaffee auf und holte eine Art Hefezopf mit Rosinen hervor. Ich musterte ihn dabei aus den Augenwinkeln. In seinen Gummistiefeln und dem orangenen Anglerdress sah er exakt so aus wie auf den Fotos auf der Buchungswebsite. Sein Gesicht war kantig und von den rauen, finnischen Wintern gezeichnet, doch seine Augen wirkten gutmütig. Sein Alter war unmöglich zu schätzen. Er schien zu der Sorte Mensch zu gehören, die irgendwie zeitlos waren.
Mit drei Kaffeebechern aus Pappe setzte sich Esko zu uns an den kleinen Holztisch. „Finnish people love coffee. They drink it all day.“ Wie zur Bestätigung nahm er einen großen Schluck aus seinem Becher. „And we love cake.“ Er deutete auf den Rosinenstuten. „This is my favourite…and fish.“ Während er große Stücke von dem Kuchen mit einem Taschenmesser abschnitt, erzählte Esko stolz, dass er diese Hütte erst vor vier Jahren selbst gebaut hatte. Die etwas größere in der wir wohnen würden vor zwölf Jahren. Er sei oft hier draußen um zu fischen und zu jagen. „Can smell an elk from 10 km.“ Yannik blickte erstaunt. „Whaat, you smell an elk from 10 km distance?“ Esko warf den Kopf zurück und kicherte. „No, but my dog. I smell it from 2 km.“
Yannik und ich warfen uns einen kurzen Blick zu und ich musste mir das Grinsen verkneifen. Es schien als sei Esko ein richtiger Supermann.
Kurz darauf sprang der Supermann plötzlich auf und polterte mit seinen Gummistiefeln zur Tür. „The fish!“, rief er uns im Hinausgehen noch zu. „Der wird uns doch jetzt keinen Fisch auftischen?“, fragte Yannik der gerade den letzten Bissen Kuchen hinunter geschluckt hatte und den ich noch nie hatte Fisch essen sehen. Noch bevor ich antworten konnte, ging die Holztür der Hütte wieder auf und Esko kam mit einer großer Box herein, begleitet von dem verführerischen Geruch von frisch geräuchertem Fisch.
Ehe wir es uns versahen, hatten wir so ein Ding – komplett mit Kopf, Flossen, Augen – auf den Papptellern vor uns, auf denen vor wenigen Minuten noch finnischer Hefezopf gelegen hatte. „Der starrt mich an.“, murmelte ich und blickte hinunter auf meinen Teller. „Ich esse doch gar keinen Fisch.“, seufzte Yannik. „Aber wir können jetzt nicht ablehnen.“, zischte ich, als Esko mit drei Plastikmessern bewaffnet zurück an den Tisch trat. „Good fish.“, lächelte er, nicht ohne stolz. Und zeigte uns wie man die Gräten entfernte, ohne eine Riesensauerei zu veranstalten. – Erst am Rücken aufschneiden, dann den Kopf greifen und daran die Gräten durch die Öffnung am Rücken heraus ziehen. – In der Theorie.
Während unser Gastgeber genüsslich drei Fische verputzte, schaffte ich gerade mal einen, da ich ständig den Mund voller Gräten hatte. Aber es war wirklich der beste Fisch den ich je gegessen hatte. Selbst Yannik aß zwei. Nachdem ich auch meinen Fisch geschafft hatte, warf Esko die Reste samt Pappteller in den Kamin, drückte mir noch einen Fisch für später in die Hand und verkündete, dass er uns jetzt unsere Bleibe zeigen wollte, schließlich würde es gleich dunkel werden.
Hier bin ich Mensch - Vom Leben in der Hütte
In den kommenden Tagen sollte es sich herausstellen, dass es gar nicht so einfach war, eine Hütte mitten im Wald zu „bedienen“. Jeden Nachmittag nach unseren Wanderungen und Ausflügen musste zunächst Wasser aus dem Ziehbrunnen geholt werden für die Sauna und zum Waschen, denn fließendes oder gar warmes Wasser gab es nicht. Anschließend wurde Holz gehackt, um die Wohnhütte zu heizen und das Wasser in der Sauna zu erwärmen. Die Sauna war gleichzeitig das Badezimmer (dort standen Eimer, die man sich über kippen konnte), Geschirr gespült wurde draußen in einer Schüssel und das Plumpsklo stand hundert Meter weiter im Wald.
Was soll ich sagen, es war einfach … perfekt. Es war echt, befreiend, natürlich -Die eiskalten Hände beim Wasser holen, das befriedigende Gefühl beim Holzhacken, wenn sich der Stamm schließlich in zwei Teile spaltet, der heimelige Geruch von frisch angezündetem Holzfeuer, selbst der nächtliche Gang zum Plumpsklo in langer Unterhose kombiniert mit Gummistiefeln. Äußerlichkeiten verloren an Bedeutung, es war niemand da der urteilte. Nichts zählte, nur das hier und jetzt. Die Welt schien an diesem Ort still zu stehen. Immer wieder hielten wir inne, lauschten dem Rauschen des Windes in den weißen Birken, blickten wie verzaubert die schmale Auffahrt hinunter auf den schneebedeckten See, der sich bis an den Horizont zu erstrecken schien.
Es war für mich das reine, das pure Menschsein, das was wohl auch Goethes Faust gemeint haben musste, als er sagte: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ -Das Paradies eben.
Eisangeln mit Superman
„Today we go icefishing.“, verkündete Esko am nächsten morgen. Es wehte ein eisiger Wind und es schneeregnete leicht, die Temperaturen waren in der letzten Nacht auf über 0 Grad gestiegen. Er stattete uns mit etwas streng riechenden Schneeanzügen aus, die wir über unsere Winterjacken ziehen sollten, darunter die altbewährten Gummistiefel, denn abseits der von den Schneemobilen ausgefahrenen Pfaden, versank man schnell mal bis zur Hüfte im Schnee. Esko selbst trug natürlich einen orangefarbenen Schneeanzug. „One of you sits in front with me, the other in the back.“, er deutete auf den Anhänger, den er an seinem blauen Schneemobil befestigt hatte. „Also mir wird ja schlecht, wenn ich hinten sitze…“, sagte ich schnell und kletterte hinter Esko auf den Sitz des Schneemobils. Aus Sibirien-Dokus wusste ich, dass das Sitzen im Anhänger eines Schneemobils eine ziemlich unbequeme und nasskalte Angelegenheit war.
Und dann gab er auch schon Gas. Wie er etwas sehen konnte bei dem Wetter, war mir schleierhaft aber es machte einen Riesenspaß mit 50 Sachen durch den Schnee zu fetzen. -Mir zumindest. Yannik dagegen bekam in seinem Anhänger Wind und Schnee ins Genick und berichtete später, er sei, immer wenn unser Supermann eine Kurve gefahren war, fast aus dem Hänger geflogen.
Nach kurzer Zeit stoppten wir schließlich mitten auf dem See. Unser Gastgeber bohrte einige Löcher ins das Eis und zeigt uns, wie man mit den kleinen Angeln, die er schon vorbereitet hatte, umging. „First put it in deep, than pull up a bit.“ Dann setzte er sich an sein eigenes Loch. Ich zog meinen Köder unauffällig etwas weiter nach oben, vielleicht würde so ja kein Fisch anbeißen?
Während meine Strategie aufzugehen schien, zappelten neben Yannik und Esko schnell einige Fische im Schnee, es war die gleiche Art, die wir am Tag zuvor bereits probiert hatten. Auch wenn ich selbst nicht besonders erpicht darauf war, einen Fisch zu fangen, zwang ich mich hinzuschauen, als Esko den unglücklichen Tieren mit dem Schaft seines Messers auf den Kopf hieb und anschließend den Bauch aufschlitzte, um die Eingeweide mit den Fingern herauszuziehen. Alles andere wäre feige gewesen. Schließlich würde ich später auch von dem Fisch essen.
So bibberten wir eine ganze Weile im Schnee kniend vor unseren Löchern. Und wieder verzauberten mich die Stille und diese samtweiche, weiße Weite vollends – trotz der Fischeingeweide um mich herum und der Tatsache, dass Esko, den die Kälte wohl völlig kaltließ, fröhlich vor sich hin telefonierte während er einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser zog und ausnahm. Ja, da war ein echter Meister am Werk! Als wir genug Fisch hatten, fuhren wir zu einer kleinen Insel. Hier befand sich eine Feuerstelle, an der die Fischer im Sommer oft zusammenkommen.
Bei Wind, Schneeregen und feuchtem Holz schaffte Esko es ein ziemlich beeindruckendes Feuer zu entfachen. Wir kauerten uns – so gut es in den überdimensionalen Schneeanzügen ging – um das Feuer. Superman spitze mit seinem Messer (jenes mit denen er kurz zuvor noch die Fische aufgeschlitzt hatte) drei Stöcke an und spießte jeweils eine Bockwurst darauf, die wir anschließend über dem Feuer grillten. Es war die beste, die ich je gegessen hatte.
Während ich dabei vor mich hinbibberte, wurde unser Gastgeber recht gesprächig. Wir erfuhren, dass er mittlerweile 63 Jahre alt war (wir hatten ihn deutlich jünger geschätzt), gelernter Elektriker, aber nun als Lehrer arbeitete und hoffte, bald in Rente gehen zu können. Und immer wieder kam er aufs Fischen zu sprechen. „Then your girlfriend has to eat fish every day?“, fragte Yannik halbscherzend. Esko seufzte. „Nooo she can’t eat fish. She is allergic.“ Er sah dabei so traurig aus, dass ich ihm am liebsten tröstend die Schulter getätschelt hätte. „But I have friends out here for fishing.“, fügte er dann schnell hinzu und deutete sogleich hinter sich auf den See wo einige schwarze Punkte in der Entfernung auszumachen waren. „I call him“.
Kurze Zeit später rasten wir mit dem Schneemobil auf die dunklen Punkte inmitten des gefrorenen Sees zu. Der Supermann ließ es sich nicht nehmen kurz bevor wir seine Freunde erreicht hatten nochmal ordentlich aufzudrehen, sodass ich mich dann doch mal etwas fester an seinem Schneeanzug festklammern musste, um nicht vom Schneemobil zu segeln. Ein kurzes Gespräch auf finnisch, vermutlich verabredeten sie sich für das Wochenende zum Angeln, dann wandte er sich auf dem Sitz zu mir um, deutete auf seinen Freund und sagte: „He is a finish original. He comes from far north.“ Tatsächlich sah der Typ noch rustikaler aus als Esko. Doch auch er hatte diese gutmütigen, freundlich glitzernden Augen. Kurz darauf düsten wir wieder in Richtung Hütte.
Esko würde die Fische nun in Salz einlegen und am Nachmittag über Holz und einigen Zuckerwürfeln räuchern. Es war klar was es zum Abendessen geben würde!
Bis wir uns wiedersehen
Noch nie habe ich mich so schnell in einem Land zu Hause gefühlt. Noch nie ist mir die Abreise so schwer gefallen und noch nie sind deshalb Tränen geflossen. „Was wäre, wenn ich einfach da bleibe?“, habe ich mich immer wieder gefragt. Dem grauen Alltag aus Beton und Asphalt in Berlin den Rücken kehren, den grimmigen Gesichtern von Menschen, die alles haben und doch nichts, entfliehen.
In Finnland spürte ich eine unglaubliche Ausgeglichenheit und Naturverbundenheit. Wir begegneten Menschen, die mit sich und ihrer Natur im Einklang waren, die Wärme, Zufriedenheit und Freundlichkeit ausstrahlten. Es verwundert mich nicht im geringsten, dass Finnland 2024 zum siebten mal in Folge zum glücklichsten Land der Welt gekürt wurde.
Und eins ist klar: Ich komme wieder!
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Hier findet ihr unsere Berichte zu Slowenien
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Wir freuen uns auf euch!
Hach, da bekommt man richtig Lust auf Ruhe, Weite und Gelassenheit !
Danke 🙂 Wir könnten direkt wieder losfahren!
Einfach nur schön. Danke für den tollen Beitrag der uns allen zeigt, dass es auch ohne unseren Luxus den wir jeden Tag genießen ein tolles Leben in der Ruhe gibt. Da bekommt man echt Lust mal aus dem Alltag zu entfliehen und die Ruhe und die Natur zu genießen.
Danke 🙂 Dann macht das doch einfach auch mal 😉 Info-Beitrag zu Unterkunft und allem kommt in den nächsten Wochen!
Einfach abtauchen in eine andere Welt.
Das muss wunderbar sein. Danke für den traumhaften Ausblick.
Tolle Fotos und eine schöne, bildhafte Schilderung. Habe jetzt richtig Lust auf Finnland..
Hi Doris,
schön, dass du da bist! Ja, Finnland war auch für uns ein echtes Highlight. Die nächste Reise dorthin ist schon in Planung :).
Wir freuen uns, wenn du wieder mal bei uns vorbei schaust.
Vielen Dank für deinen Kommentar und viele Grüße
Caro & Yannik
Hallo ihr Beiden, waren im Januar erst in Jordanien und im Juni in Peru, alles sehr schön und interessant, da waren die 3 Wochen viel zu kurz, haben aber viel hineingepackt und viel erlebt. Nächstes Jahr haben wir Namibia vor.
Das klingt spannend! Namibia muss auch der Wahnsinn sein! 2022 haben wir zwei Monate in Peru verbracht, wir haben es noch immer nicht geschafft unsere Reisetagebücher aufzuarbeiten 😉 Für uns geht es nächste Woche erstmal nach Paris, Olympia gucken.
Danke, dass du deine Reisen hier mit uns teilst und bis bald
Caro & Yannik
Hi Caro, so toll geschrieben, da möchte man am liebsten gleich los. Wir sind vor 30 Jahren mit dem Auto und Motorrad ans Nordkap gefahren. Seitdem stelle ich mir immer wieder vor wie schön das im Winter sein muss. Danke das ihr meine Phantasien in Worte und Bilder gefasst habt.
Hi Karin, schön von dir zu lesen 🙂 Es ist wirklich traumhaft im Winter, ich habe vor nächstes nochmal nach Finnland zu fahren. Von einer Fahrt ans Nordkap träumen wir auch (aber vielleicht nicht unbedingt mit dem Opel Adam ;). Danke für deinen Kommentar und liebe Grüße
Caro & Yannik