Toben mit den Walen
Walbeobachtung im iSimangaliso Wetland Park
„Wirklich zu leben – das ist das Allerseltenste auf dieser Welt. Die meisten Menschen existieren nur, sonst nichts.“
Oscar Wilde
Eine Reise nach Südafrika lehrt einem zweierlei: Demut und Dankbarkeit: Demut vor der Schönheit und Mannigfaltigkeit der Natur; Dankbarkeit für das Privileg diese erleben zu dürfen. Ja, Reisen ist ein Privileg. Das vergessen wir in unserem flimmerndem, schnelllebigen Alltag nur allzu schnell.
Südafrika führte mir das in aller Deutlichkeit und Brutalität wieder vor Augen. Es lehrte mich hinzusehen, weil wegsehen nicht möglich war. Wer mit dem Auto durch Südafrika fährt, dem wird Elend begegnen, dem werden die klaffenden Unterschiede zwischen arm und reich und auch die immer noch existierende, wenn auch inoffizielle Trennung zwischen schwarz und weiß nicht entgehen.
Doch wenn man die menschenleeren, von hohen Mauern umgebenen, noblen Wohnviertel Johannesburgs hinter sich gelassen hat und nach ein paar Stunden durch abgelegene Kleinstädte fährt, dann wird noch etwas anderes auffallen: Lebensfreude!
Die kleinen Dinge im Leben
Auf unserem Weg an die Küste nach Santa Lucia fuhren wir durch Siedlungen und Dörfer bestehend aus halbfertigen Wohnhäusern und Rundhäusern aus Lehm mit Strohdach. Ziegen und Hühner liefen überall frei herum, Wäscheleinen baumelten über den staubigen Straßen, Müll türmte sich in den Vorgärten und am Straßenrand. Auf den Seitenstreifen liefen Kinder in schicken Schuluniformen, Männer in Badelatschen hockten auf den Leitplanken und unterhielten sich wild gestikulierend.
Entgegen den Warnungen des auswärtigen Amtes öffneten wir die Fenster. Gelächter drang an unsere Ohren, Musik kam von irgendwo her, einige der Kinder begannen zu tanzen, eine Frau mit einem schweren Wasserkanister auf dem Kopf sah uns interessiert an. Eine Gruppe Jugendlicher die mit alten Cola-Dosen kickte, winkte uns zu.
Ja, es war laut und dreckig und roch nicht besonders gut aber es war echtes, pures Leben. Wie auch zuvor in Südamerika stellte ich mir die Frage: Was ist eigentlich Wohlstand? Brauche ich ein schickes Haus, einen Schrank voller Klamotten, einen Flatscreen mit Netflix und was uns in unserem Alltag sonst alles so unentbehrlich erscheint? Ist es wirklich das, was glücklich macht? Ist die Freude an den kleinen Dingen, am Leben an sich, nicht viel nachhaltiger?
Es fällt immer leicht, das einfache, rustikale Leben zu romantisieren. Die Probleme, die diese Menschen mit Sicherheit haben, zu vergessen, ihnen das Recht auf Wohlstand und Konsum gar abzusprechen. – Das ist in kleinster Weise meine Absicht. Und doch hat mich Südafrika dazu gebracht, das, was ich habe mehr zu wertschätzen und zu hinterfragen, was wirklich nötig ist und was nicht.
Lebensfreude pur - Unsere Walbeobachtung im iSimangaliso Wetland Park
Lebensfreude – ich weiß nicht, wann ich zuletzt so viel davon empfand, wie an diesem einsamen Strand am Cape Vidal im iSimangaliso Wetland Park. Es war schon später Nachmittag als wir, mein Freund Yannik, dessen Kumpel Marcel und ich, dort entlang schlenderten.
Der Himmel war von dramatischen, grauen Wolkenformationen bedeckt. Es wehte ein kalter Wind und hohe Wellen des tiefblauen Meeres ergossen sich schäumend über den feinen hellbraunen Sand. Das Meer übte schon immer eine besondere Anziehungskraft auf mich aus: Bedrohlich aber zugleich unglaublich schön und geheimnisvoll.
Wir waren die einzigsten an diesem endlosen Strand. Rechts von uns der tiefgrüne Busch, links von uns das rauschende Meer. Ich weiß nicht, wie lange wir schweigend dort entlang schlenderten. – Das Rauschen des Meeres in den Ohren, den Wind in den Haaren und die salzige Seeluft auf den Lippen, als schließlich die Wolkendecke aufbrach und die Sonne das Meer azurblau leuchten ließ.
Plötzlich zeigte Yannik hinaus aufs Meer und brach die Stille. „Da, da war ein Wal!“ Marcel und ich wandten unsere Blicke in die Richtung, die Yannik uns mit der Hand wies. Tatsächlich! Nur einige hundert Meter vom Strand entfernt, tobte eine Buckelwalfamilie fröhlich in den Wellen. Fontänen spritzten, Flossen drehten sich munter, teilweise schraubten sich die sanften Riesen ganz aus dem Wasser, um dann mit einem gewaltigen Platschen zurück in die Wellen zu sinken. Ich spürte eine kindliche Freude in mir aufsteigen, wollte am liebsten mit den Walen in den Wellen toben.
Das ist es wohl, was man als „im Moment sein“ bezeichnen würde. -Einen Zustand den ich durch Yoga und Meditation eher selten erreicht habe. Doch hier war es leicht alles zu vergessen, das immerzu denkende Erwachsenenhirn auszuschalten und der Freude einfach ihren Lauf zu lassen. Den anderen schien es ähnlich zu gehen, denn kurz darauf begannen wir, wie die Wale im Meer es taten, übermütig den Strand entlang zu toben, die wirbelnden Flossen stets im Blick.
„Ich glaube, ich muss ins Wasser!“, rief Yannik irgendwann, zog sich bis auf die Unterhose aus und sprintete in die Wellen. Normalerweise hätte ich ihn aufgehalten, das Meer war an diesem Tag viel zu wild und es gab hier Würfelquallen, doch ohne groß darüber nachzudenken, rannte ich ihm hinterher und stand kurz darauf mit Klamotten selbst bis zum Bauchnabel im kalten, prickelnden Nass. Nicht weit von uns entfernt warf sich gerade wieder ein Wal rücklings ins Wasser.
Ich hatte in diesen Stunden, in denen wir mit den Walen um die Wette tobten nicht eine Sekunde daran gedacht ein Foto zu machen. Viel zu oft schon war ich in solch wunderbaren Momenten mit dem Versuch beschäftigt gewesen sie festzuhalten. Doch das ist selbst mit der besten Kamera nicht möglich. Kein Foto und kein Video kann dieses Gefühl purer Freude je wiedergeben, dass mich an diesem Nachmittag erfüllte.
Um so wichtiger ist es, jeden Moment, egal wie bedeutsam oder wie flüchtig er auch sein mag zu genießen. Ich musste erst in die Tierwelt Südafrikas reisen, um das wirklich zu begreifen.
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